Wahre Freude ist eine ernste Sache …

… diese, für einen zwölfjährigen Jungen, recht altklugen Worte standen damals in meinem Poesiealbum. Beim Karate Training kamen mir die Worte nach Jahrzehnten wieder in den Sinn. Seitdem denke ich beim schweißtreibenden Training oft an diese Weisheit. Die Worte beschreiben für mich genau das was ich beim Karate durch das konzentrierte ausdauernde Üben empfinde.

Eine Person in einem Eselskostüm macht Karate.

Nach diesem kleinen philosophischen Ausflug komm ich jetzt zu unserem Dojo. Wir sind ein bunter Haufen von Frauen und Männern im Alter zwischen 20 bis 50+ mit sehr unterschiedlichen Karateerfahrung (Unterstufe bis Danträger). In der Regel sind wir im Training zwischen 6 und 15 Leute und haben das Glück von einer phänomenal guten Karatelehrerin angeleitet zu werden.

Zum Ablauf einer 1 ½ Stunden dauernden Trainingseinheit: Jedes Training beginnt und endet mit einer fest definierten Zeremonie. Man verbeugt sich in kniender Haltung drei mal. Der erste Gruß geht in Richtung der Wand an dem ein Bild des Stilrichtungsgründers steht, der zweite Gruß gilt dem Sensei (Lehrer / Meister), der dritte dem Mitlernenden. Diese Zeremonie war mir zu Beginn befremdlich, da diese auf mich religiös und durch die ungewohnte Handlung, welche so gar nicht in unsere westliche Welt passt, aufgesetzt wirkte. Ich habe mich aber schnell mit dieser Handlung angefreundet, da ich merkte wie hilfreich diese Zeremonie ist, um sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Zudem empfinde ich es als schön in dieser Art und Weise dem Mitmenschen Respekt und Achtung entgegenzubringen.

Danach beginnt das Aufwärmtraining, in dem die Gelenke geschmiert, der Körper auf Betriebstemperatur gebracht wird und die Konzentration auf das bevorstehende Training gelenkt wird. Sind Körper und Geist auf Touren beginnt das spezifische Training. Die Einheiten sind sehr individuell und von Woche zu Woche unterschiedlich, aber doch aufeinander aufbauend. Dabei kann es sein, dass wir eine Kata (Übungsform die aus stilisierten Kämpfen besteht, die mit einem imaginären Gegnern geführt wird) erlernen, die Anwendung der Kata (Bunkai) einstudieren oder die Grundtechniken „Kihon“ durch ständiges Wiederholen perfektionieren. Nach dieser meist schweißtreibenden und konzentrierten Arbeit kommen ein paar entspannende Minuten. Dehnungs- und Lockerungsübungen oder einer Massage mit dem Karatepartner. Beendet wird das Training wieder mit dem oben beschriebenen Abgrüßen.

Warum wir uns glücklich schätzen können, Sabine als unseren Sensei zu haben, will ich hier mit ein paar Punkten begründen:

  1. Sie ist mit Ihrem 5ten Dan eine Meisterin in Karate und es ist ein Genuss Ihr bei Ihrem „Handwerk“ zuzusehen.
    Da die Bewegungen bei ihr so natürlich und selbstverständlich aussehen, tappt man öfters in die Denkfalle, dass der Ablauf doch nicht so schwierig sein kann. Dieses Gefühl hält aber nur so lange an, bis man selbst die Übung durchführt und schon bei der ersten Bewegung kläglich scheitert…
  2. Sie hat ein immenses Karatewissen welches sie mit Freude weiter gibt.
    Jede Haltung, jede Bewegung, jeder Stand, jede Schrittreihenfolge hat im Karate seine Bedeutung und Sinn. Diesen Sinn kann sie sowohl theoretisch als auch durch Vorzeigen der praktischen Anwendungen bestens erklären.
  3. Sie ist stets motiviert und bereitet sich auf die Trainings vor.
    Bisher hatte ich nie das Gefühl, dass das Training einer spontanen Eingebung von Sabine folgt. Vielmehr hat jede Trainingseinheit ein klares Ziel.
  4. Sie hat stets den Einzelnen im Blick und behält dabei den Überblick über die Gruppe.
    In einer größeren Gruppe mit Karatekas von Unter- bis Oberstufe würde man denken, dass sich der eine über- und der andere unterfordert fühlt. Weit gefehlt, die Gruppen werden ggf. geteilt oder es werden unterschiedliche Aufgabenstellungen gesetzt, um dem Einzelnen beim Weiterkommen gerecht zu werden.
  5. Sie gibt Ratschläge und korrigiert / lobt ohne dabei überheblich oder lehrerhaft zu sein.
    Auch wenn man zum x-ten mal den Bewegungsablauf, den Stand oder die Aufnahme nicht korrekt ausgeführt hat, verliert sie nicht die Geduld uns den Weg aufzuzeigen. In den sechs Jahren, seit dem ich nun Karate betreibe, hatte ich keine Trainingseinheit, bei dem ich lustlos „mein Programm“ herunter spulte und ich nicht dankbar dafür war, dass Sabine soviel Zeit und Muße in die Trainingseinheiten investiert hat.

So genug der Lobeshymne und jetzt her mit dem Schwarzgurt ☺